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Abschlussbericht des Generaltreuhänders für die Sicherstellung der Kulturgüter über die Tätigkeit in der Untersteiermark[1]

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BA Koblenz, Das Ahnenerbe, NS 21/vorl. 74, (7 S.). Der Bericht wurde vom Reichsgeschäftsführer der Forschungs- und Lehrgemeinschaft »Das Ahnenerbe« SS-Obersturmbannführer Dr. Wolfram Sievers am 12. 8. 1942 an den Gauleiter und Reichsstatthalter in der Steiermark Dr. Sigfried Uiberreither gesandt. Eine ausführliche Darstellung über die Sicherstellung der Kulturgüter in der Untersteiermark findet sich auch im Bericht der Dienststelle des Beauftragten des RKFDV in der Untersteiermark für die Zeit vom 1. 10. his 31. 12. 1941, DZA Potsdam, RH. Bd. 5625.
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Siehe Dok. Nr. 150.
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Siehe Dok. Nr. 173.
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Dr. Wolfram Sievers, Geschäftsführer der Forschungs- und Lehrgemeinschaft »Das Ahnenerbe« in Berlin. Siehe auch Dok. Nr. 297.

ABSCHLUSS - BERICHT

des Generaltreuhänders für die Sicherstellung der Kulturgüter
über die
Tätigkeit der Dienststelle Untersteiermark Marburg/Drau

A u f t r a g und G r u n d l a g e :

19. 3.41. Anordnung des Reichsführers-SS, Reichskommissar f. d. F. d. V. (I/KO 1 a 4/23. 11. 40/Dr. Wa/Ho) zur Errichtung einer Zentralstelle für die Sicherstellung der Kulturgüter.

Durch wiederholte Fühlungnahme mit dem Beauftragten des Reichskommissars f. d. F. d. V., Dienststelle Marburg Drau, und zwar mit Dienststellenleiter SA-Obersturmbannführer Senftschnig und dem damaligen Stabsführer SS-Sturmbannführer Laforce wurde die Notwendigkeit einer raschen Sicherstellung der Kulturgüter in der Untersteiermark festgestellt, und gleichzeitig erhielt der Generaltreuhänder von der genannten Dienststelle die Zusicherung, dass sie seine Tätigkeit fördern und unterstützen werde.[2]

27. 10. 41. Zustimmung des Reichsführers-SS, Reichskommissar f. d. F. d. V., zu der beantragten Entsendung eines Erfassungskommandos des Generaltreuhänders in die Untersteiermark.

23. 10. 41. Meldung an Reichsstatthalter und Gauleiter des Reichsgaues Steiermark über Errichtung einer Dienststelle des Generaltreuhänders in Marburg/Drau sowie Entsendung eines Einsatzkommandos dorthin.

4. 11.41. Vortrag des Sachbearbeiters SS-Obersturmführer Dr. Kraut bei Herrn Reichsstatthalter und Gauleiter Dr. Sigfried Uiberreither über die Art und Weise der Tätigkeit des Generaltreuhänders und Zustimmung zur Errichtung einer Dienststelle in Marburg/Drau sowie Anordnung, dass alle Kreiskommissare in der Untersteiermark von der Tätigkeit des Generaltreuhänders und der bevorstehenden Ankunft des Einsatzkommandos benachrichtigt werden.[3]

10. 11. 41. Das Einsatzkommando, bestehend aus SS-Untersturmführer J. W. Dettenberg und Pg. Kurt Federlin, beginnt mit der Erfassungstätigkeit. Die Leitung der Zweigstelle Marburg/Drau übernahm Stabsführer SS-Sturmbannführer Laforce.

D u r c h f ü h r u n g

Richtlinien für die Arbeit waren die in der Untersteiermark geltenden Bestimmungen über die Behandlung des jüdischen, feindlichen und kirchlichen Besitzes, sowie die Erfahrungen, welche die Beauftragten des Generaltreuhänders während ihrer Tätigkeit für den »Generaltreuhänder für die Sicherstellung deutschen Kulturgutes in den angegliederten Ostgebieten« gesammelt hatten. Die Tätigkeit erfolgte in ständiger Zusammenarbeit mit den zuständigen steirischen Dienststellen, insbesonders mit

Dr. Pokorny, Regierungsdirektor, Vorstand der Unterabteilung II d beim Reichsstatthalter, Graz,
Dr. v. Semetkowsky, Oberregierungsrat, Gaukonservator für die Steiermark,
Dr. Riehl, Univ. Prof., Vorstand der Neuen Galerie und Museumspfleger des Reichsgaues Steiermark.

Die benötigten Fahrzeuge wurden auf Veranlassung von SA-Obersturmbannführer Seftschnig von den Aussenstellen des Reichskommissars f. d. F. d. V. im Rahmen der gegebenen Fahrbeschränkungen zur Verfügung gestellt. Benzinmangel und der aussergewöhnlich strenge Winter erschwerten und hemmten die Erfassungstätigkeit in den Kreisen Rann und Cilli. Infolge der angeführten Schwierigkeiten konnte sie nicht, wie früher angenommen, schon Ende Mai, sondern erst am 15. 7. 42 beendet werden.

E r g e b n i s

Es wurden folgende Gegenstände erfasst und sichergestellt:

Bücher etwa 60 000 Bände
Urkunden usw. 75 handgeschriebene Urkunden, darunter verschiedene aus dem 14. u. 15. Jahrhundert.
  33 Abschriften u. Auszüge aus verschiedenen alten Urkunden.
  22 Chroniken. Zahlreiche chronikalische Aufzeichnungen und Traktate. Volksliedersammlungen im ganzen
  3000 Lieder
Kunstgewerbe 123 antike Einzelmöbel von Renaissance bis Biedermaier
  94 antike Stand- und Tischuhren
  54 alte Zinngeräte
  40 alte Majoliken
  47 alte Porzellane u. alteng. Steingut
  17 Kachelöfen von Barock bis Empire
  30 antike Leuchter
Bilder usw. 236 Ülbilder, darunter 4 mittelalterliche Altartafeln 79 Pastelle und Aquarelle
  203 Handzeichnungen, Stiche u. alte Landkarten
  148 Hinterglasmalereien
  158 Skulpturen, darunter 10 gotische, 13 Renaissancearbeiten, die übrigen meist in Barock, Rokoko oder Übergangsstilen
  4 römische Antiken
Kirchengut 61 Paramente, teilweise kompl. Garnituren, darunter der Paramentenschatz aus Frattmannsdorf
  26 Kelche, davon 2 gotische
  11 Monstranzen
  4 alte Kruzifixe, davon 2 gotische
  1 Ciborium
  1 gotisches Reliquiar
Volkskunst, 127 verschiedene volkskundlich oder kunsthandwerklich interessante Gegenstände
  71 alte Model (Backformen)
Waffen usw. 105 alte Waffen und Rüstzeuge
Münzen etwa 7000 Münzen

Von einer Beifügung ausführlicher Verzeichnisse wird Abstand genommen, da die Erfassungsberichte mit genauen Listen laufend dem Gauleiter und Reichsstatthalter des Reichsgaues Steiermark, Abtig-II d, z. Hd. von Regierungsdirektor Pokorny, zugesandt wurden.

V e r w e r t u n g des K u l t u r g u t e s

Da es sich bei dem sichergestellten Kulturgut durchwegs um heimat- und landschaftsgebundene Gegenstände von musealem Wert handelt, wird vorgeschlagen, es den Museen des Reichsgaues Steiermark, insbesondere aber den Museen der Untersteiermark zuzuweisen.

Bei Archivalien kommt auf Grund der geltenden Bestimmungen eine Übergabe an das Reichsgauarchiv in Graz in Frage, während für die Verwertung der angefallenen Bücherbestände die Buchsammelstelle in Marburg/Drau zuständig ist.

Es wird angeregt, das Kulturgut den Museen unentgeltlich zu übergeben. Eine Bezahlung durch die Museen erscheint nicht möglich, weil diese:

  1. nicht über genügend Mittel verfügen, um diesen einmaligen umfangreichen Zuwachs bezahlen zu können, und weil
  2. den Museen nicht zugemutet werden kann, dass sie aus ihren beschränkten Mitteln Gegenstände ankaufen, die sie nicht immer dringend benö-tigen und nur deshalb übernehmen, damit sie als Kulturgut erhalten bleiben, und die zum Teil erst später einmal, vielleicht sogar in anderen, z. B. neu errichteten Kreis- oder Heimatmuseen gezeigt werden. Unter den zu übernehmenden Gegenständen befindet sich wohl auch manches, was die betreffenden Museen bereits besitzen und nie ankaufen würden.

B e s o n d e r e V o r s c h l ä g e :

  1. Unter den angefallenen Bildwerken befindet sich eine stattliche Anzahl Werke slowenischer Meister. Es wird angeregt, diese dem zuständigen Museum in Graz zuzuweisen, weil nur dort die gebotene kunstwissenschaftliche Bearbeitung und gegebenenfalls eine den Interessen der deutschen Kunst- und Kulturerfordernisse nicht widersprechende Verwertung bzw. Aufstellung möglich ist.
  2. Im Zuge der seit Monaten in Gang befindlichen Buchsammelaktion werden von der Marburger Buchsammelstelle zahlreiche deutsche Bücher nach Graz verbracht. Da Marburg infolge der durch die politischen Verhältnisse bedingten Entwicklung einen grossenn Mangel an wissenschaftlichen Büchern hat, erscheint es dringend geboten, die bereits nach Graz verbrachten Bücher soweit wie möglich an die Marburger Stadtbibliothek zurückzugeben, oder sie der dortigen Museumsbibliothek für wissenschaftliche Arbeiten zu übergeben. Darüber hinaus besteht ein dringendes Bedürfnis, dass die Bibliotheken der Kreismuseen die Möglichkeit erhalten, aus der Buchsammelstelle auch slowenische Bücher zu übernehmen, soweit sie sich auf Kunst- und Heimatgeschichte sowie auf Heimatkunde im weiteren Sinne (einschl. Naturkunde) beziehen, da die Museen ohne diese wissenschaftliche Literatur nicht arbeiten können. Diese slowenischen Bücher müssen die Kreismuseumsbibliotheken unter besonderem Verschluss verwahren, und es wäre ihnen untersagt, sie an die Öffentlichkeit auszuleihen.
  3. Unter den sichergestellten Archivalien befindet sich eine aus dem Minoritenkloster zu Pettau stammende Chronik der Stadt Nürnberg aus dem Jahre 1552. Da diese Chronik in keinerlei Beziehung zur Untersteiermark steht, wird angeregt, sie gegen anderes für die Geschichte der Steiermark wichtiges Archivmaterial auszutauschen, vielleicht sogar gegen das in Wolfenbüttel verwahrte Pettauer Stadtrecht. Der Leiter des Reichsgauarchivs ist von diesem Sonderfall unterrichtet.

V e r w a h r u n g des K u l t u r g u t e s

ie erfassten Gegenstände wurden unter Einhaltung der dem Herrn Reichsstatthalter und Gauleiter gegebenen Zusicherung nicht aus dem Reichsgau Steiermark entfernt. Sie wurden trotz kriegsbedingter Verkehrsschwierigkeiten überall, meist durch Unterstützung der Landrats- und Bürgermeisterämter und in Zusammenarbeit mit den zuständigen

Museumsleitern, in die betreffenden Museen verbracht, so dass sie sich durchwegs in sicherem Gewahrsam befinden. Die Überweisung an die betreffenden Museen ist demnach nur noch eine Formalität, die mit keiner Ortsveränderung verbunden wäre.

A b w i c k l u n g laufender oder neuer Fälle

Da die Tätigkeit des Generaltreuhänders in steter Zusammenarbeit mit den zuständigen steirischen Stellen erfolgte und diese daher über alle damit im Zusammenhang stehenden Fragen unterrichtet sind, so werden nicht völlig abgewickelte Fälle ohne Verzug weiterbearbeitet. Darüber hinaus hat die weitere Abwicklung der Geschäfte im allgemeinen und etwaige spätere Sicherstellungen durch Vereinbarung vom 22. 7. 42 Gaukonservator Dr. von Semetkowsky in Zusammenarbeit mit dem Museumspfleger Univ. Prof. Dr. Riehl und den übrigen Museumsleitern übernommen so dass jede Gewähr für die weitere Betreuung des Kulturgutes gegeben ist.

Die in Marburg/Drau errichtete Dienststelle des Generaltreuhänders wurde mit 22. 7. 42 aufgelöst. Der Generaltreuhänder für die Sicherstellung der Kulturgüter, Reichshauptstelle in Berlin - Dahlem, Pücklerstrasse 16, steht im Bedarfsfalle für weitere Zusammenarbeit zur Verfügung.

Sievers[4]
SS-Obersturmbannführer

Berlin, Dahlem, 12. 8. 1942
B /41 / s 9 - Dr. Kr/B

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BA Koblenz, Das Ahnenerbe, NS 21/vorl. 74, (7 S.). Der Bericht wurde vom Reichsgeschäftsführer der Forschungs- und Lehrgemeinschaft »Das Ahnenerbe« SS-Obersturmbannführer Dr. Wolfram Sievers am 12. 8. 1942 an den Gauleiter und Reichsstatthalter in der Steiermark Dr. Sigfried Uiberreither gesandt. Eine ausführliche Darstellung über die Sicherstellung der Kulturgüter in der Untersteiermark findet sich auch im Bericht der Dienststelle des Beauftragten des RKFDV in der Untersteiermark für die Zeit vom 1. 10. his 31. 12. 1941, DZA Potsdam, RH. Bd. 5625.
2
Siehe Dok. Nr. 150.
3
Siehe Dok. Nr. 173.
4
Dr. Wolfram Sievers, Geschäftsführer der Forschungs- und Lehrgemeinschaft »Das Ahnenerbe« in Berlin. Siehe auch Dok. Nr. 297.

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