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Aktenvermerk des SS-Ansiedlungsstabes »Altreich« über die Besprechung mit dem Gauleiter NSDAP in Kärnten betreffend die Aussiedlung von Slowenen[1]

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BA Koblenz, StHA des RKFDV, R 49/908, (3 S.).
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Der stellvertretende kommandierende General im Wehrkreis XVIII in Salzburg war damals General der Infanterie Hubert von Schaller-Kallide.
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Klagenfurt und Graz.
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Die Landräte von Klagenfurt, Villach, Hermagor, Völkermarkt und Wolfsberg.
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Siehe Dok. Nr. 116 und 217.
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Der Leiter der Geheimen Staatspolizei in Klagenfurt, SS-Sturmbannführer Dr. Ernst Weimann machte am 19. Juni 1942 folgende Notiz: »Mit Gauleiter wurde die Umsiedlungsfrage nochmals besprochen. Er vertritt mit Hartnäckigkeit /dieses Wort ist gestrichen worden - Anm. T. F./ die Ansicht, mit der Umsiedlung nicht zu stoppen, sondern fallweise weitere Slowenen abzusiedeln. Insbesondere erkundigte er sich nach Angelegenheit Aichholzer. Ich habe ihm erwidert, dass Aichholzer, Erlach und Sientschnig von mir besonders für eine demnächste Absiedlung vorgesehen seien.« Aus einem Ermittlungsberichte des Kriminalobersekretärs Sellak vom 7. August 1942 geht hervor, dass es sich um den ehemaligen Oberlehrer Franz Aichholzer aus Unteraichwald, den Tierarzt Dr. Lukas Sientschnig aus Eberndorf und den Arzt dr. Raimund Erlach aus Unteraichwald handelte. (AIZDG, ungeord. Mat., vorl. Bd. 723/IV.)
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Der SS-Ansiedlungsstab »Altreich« in Berlin machte am 15. Mai 1942 folgenden Aktenvermerk: »Rechtsanwalt Wirsich hält einen Vorstoss beim Reichsfinanzministerium, dessen Zustimmung dazu zu erwirken, dass das Vermögen der Evakuierten zu Gunsten des Reichskommissars beschlagnahmt werde, für völlig aussichtslos. Das Beschlagnahmeverfahren sei gesetzlich festgelegt. Eine Abänderung des Gesetzes werde auch der Gauleiter nicht erwirken können, zumal seine Mitwirkung bei der Verfügung über das beschlagnahmte Vermögen bereits gesetzlich festgesetzt sei. Das Reichsfinanzministerium sei gehalten, das beschlagnahmte Vermögen den betroffenen Gauen zur Verfügung zu stellen, die dann im Einvernehmen mit dem zuständigen Oberfinanzpräsidenten über seine Verwertung zu verfügen hätten.« (BA Koblenz, StHA des RKFDV, R 49/908.)
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Siehe Dok. Nr. 116.
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Deutsche Umsiedlungs-Treuhandgesellschaft.
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Paraphe von Dr. Hans Petri.

Ansiedlungsstab Altreich
Pe/Po.

Berlin, den 15. Mai 1942

A k t e n v e r m e r k

über die Besprechung mit Gauleiter Dr. Rainer in Klagenfurt am 12. 5. 1942 von 8 - 21 Uhr.

Die Besprechung fand in Gegenwart unseres Beauftragten in Klagenfurt, Major Maier-Kaibitsch, des Leiters der Gestapo, SS-Sturmbannführer Dr. Weinmann, des stellvertretenden kommandierenden Generals[2] der beiden beteiligten Wehrbezirkskommandeure,[3] sowie sämtlicher an der Aussiedlung beteiligten Landräte[4] statt.

Ihr ging eine interne Besprechung voraus, an der die Vertreter der Wehrmacht nicht teilnahmen. In dieser wurde Übereinstimmung darüber erzielt, dass für die endgültige Überprüfung der Aussiedlungsmassnahmen ausschliesslich das Reichssicherheitshauptamt zuständig sei.[5]

Der Gauleiter wünschte sich aber in der einberufenen Besprechung ein genaues Bild über die einzelnen Evakuierungsfälle zu machen. Er trat deshalb selbst in eine eingehende Vorprüfung aller Einzelfälle ein, in denen ein Angehöriger der Wehrmacht betroffen war, oder irgendeine sonstige Stelle gegen die Evakuierung Beschwerde eingelegt hatte und liess bei der Erörterung dieser Beschwerdefälle alle beteiligten Stellen zu jedem einzelnen Fall Stellung nehmen.

Der Vertreter der Wehrmacht bat um Nachprüfung und Revision aller Evakuierungsfälle, in denen ein Angehöriger der Wehrmacht betroffen war und schlug vor, Unterkommissionen einzusetzen, die die getroffenen Massnahmen in folgender Reihenfolge überprüfen sollen:

  1. Die Fälle in denen der Ausgesiedelte oder ein Angehöriger von ihm dem Feldheer angehörte,
  2. die Fälle in denen der Ausgesiedelte oder ein Angehöriger von ihm dem Ersatzheer angehörte,
  3. die Fälle in denen der Ausgesiedelte oder ein Angehöriger von ihm UK gestellt sei,
  4. die Fälle in denen der Ausgesiedelte oder ein Angehöriger von ihm in Wehrüberwachung stände,
  5. die Fälle in denen ein Angehöriger der Herdstelle des Ausgesiedelten vor dem Feinde gefallen sei.

Der Gauleiter erklärte daraufhin, dass für die Überprüfung der getroffenen Massnahmen das Reichssicherheitshauptamt ausschliesslich zuständig sei und dass er die einzelnen Fälle lediglich zur Erörterung stellen wolle, um ein genaues Bild von der Berechtigung der in jedem einzelnen Fall angeordneten Massnahme zu gewinnen.

Es wurden daraufhin weit über die Hälfte aller Evakuierungsfälle im einzelnen durchgesprochen. Dabei stellte sich heraus, dass von 225 Evakuierungsherdstellen in 101 Fällen Angehörige der Wehrmacht betroffen waren.

Das für den Evakuierungsbeschluss vorliegende Material war nur in einem Fall so dürftig, dass der Leiter der Geheimen Staatspolizei unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Sohn des Ausgesiedelten inzwischen das Kriegsverdienstkreuz bekommen hatte, und dass diesem der Besitz übertragen war, sich dazu entschloss, die Evakuierung rückgängig zu machen.

Ausserdem wurden 2 Fälle festgestellt, in denen die Polizeiorgane irrtümlich Wehrmachtsangehörige mitgenommen hatten, die garnicht zu der ausgesiedelten Herdstelle gehörten.

In 2 weiteren Fällen, in denen die Wehrmacht überhaupt nicht beteiligt war, erklärte sich der Leiter der Gestapo mit der Rückkehr der Ausgesiedelten einverstanden, weil ihm kein Material vorlag und er die Aussiedlung lediglich auf Wunsch des zuständigen Kreisleiters vorgenommen hatte und dieser seine Vorwürfe nicht aufrecht erhalten konnte.

Ausser diesen 5 Fällen blieben noch etwa 20 Fälle übrig, in denen der Gauleiter noch eine Überprüfung durch das Reichssicherheitshauptamt für erwünscht hielt, die aber m. E. alle zu keiner Abänderung der getroffenen Entscheidung führen, sondern höchstens bei der Frage der Entschädigung berücksichtigt werden dürften.

Der Gauleiter stellte am Schluss der Besprechung ausdrücklich fest, dass er sich davon überzeugt habe, dass von den wenigen Einzelfällen abgesehen, das in jedem einzelnen Fall vorhandene Material die vorgenommene Evakuierung durchaus rechtfertige und so schwerwiegend sei, dass in vielen Fällen eher eine Verschärfung als eine Revision der durchgeführten Massnahme in Frage komme.[6]

Der Gauleiter war auch der Ansicht, dass alle diese Fälle zu der Feststellung durch das M. d. I. ausreichen würden, dass das Vermögen der Betroffenen, volks- und staatsfeindlichen Zwecken gedient habe und dass es daher nach der Verordnung vom 10. 11. 1938 eingezogen werden könne, so dass von dem Führererlass vom 7. 10. 1939 kein Gebrauch gemacht zu werden braucht.

Er bat dringend darum, im Interesse der Beschleunigung der Besitzübertragung an die Kanaltaler und zur Vereinfachung des Verfahrens beim Finanzministerium durchzusetzen, dass die Beschlagnahme des Vermögens unmittelbar zu Gunsten des Beauftragten des Reichskommissars erfolgen könne.

Falls das Finanzministerium Schwierigkeiten machen sollte, oder das Stabshauptamt bezw. das Reichssicherheitshauptamt einen derartigen Vorstoss für aussichtslos halten sollte, bitte er ihn davon unverzüglich zu benachrichtigen, da er dann selbst einen Vorstoss in dieser Richtung beim Reichsführer unternehmen wolle.[7]

Nach Abschluss der Besprechung teilte der Gauleiter mit, dass die UK-Stellung der Bauarbeiter, die für die zum Ansatz der Kanaltaler zu erstellenden Bauten dringend benötigt würden, in den letzten Tagen aufgehoben worden seien. Er bitte dringend darum, dieserhalb beim OKW vorstellig zu werden, da sonst eine rechtzeitige Durchführung der Ansiedlung der Kanaltaler gemäss dem Reichsführerbefehl[8] nicht möglich sei.

Falls das Stabshauptamt beim 0KW nichts erreichen könne, bitte er ebenfalls um sofortige Nachricht, da er sich dann direkt an den Reichsführer wenden wolle.

Dr. Wöss von der DUT[9] bat dringend um Beschleunigung der Beschlagnahme zu Gunsten des Reichskommissars, da die Verhandlungen mit dem Reichsfinanzministerium die Übernahme und Besitzübertragung ausserordentlich erschweren würden und schlug vor, falls sich die Verhandlungen zu lange hinzögen, die einzelnen ausgesiedelten Besitzer aufzusuchen und sich von ihnen eine notarielle Verwaltungs- und Verwertungsvollmacht für die DUT ausstellen zu lassen.

P[10]
SS-Hauptsturmführer.

1
BA Koblenz, StHA des RKFDV, R 49/908, (3 S.).
2
Der stellvertretende kommandierende General im Wehrkreis XVIII in Salzburg war damals General der Infanterie Hubert von Schaller-Kallide.
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Klagenfurt und Graz.
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Die Landräte von Klagenfurt, Villach, Hermagor, Völkermarkt und Wolfsberg.
5
Siehe Dok. Nr. 116 und 217.
6
Der Leiter der Geheimen Staatspolizei in Klagenfurt, SS-Sturmbannführer Dr. Ernst Weimann machte am 19. Juni 1942 folgende Notiz: »Mit Gauleiter wurde die Umsiedlungsfrage nochmals besprochen. Er vertritt mit Hartnäckigkeit /dieses Wort ist gestrichen worden - Anm. T. F./ die Ansicht, mit der Umsiedlung nicht zu stoppen, sondern fallweise weitere Slowenen abzusiedeln. Insbesondere erkundigte er sich nach Angelegenheit Aichholzer. Ich habe ihm erwidert, dass Aichholzer, Erlach und Sientschnig von mir besonders für eine demnächste Absiedlung vorgesehen seien.« Aus einem Ermittlungsberichte des Kriminalobersekretärs Sellak vom 7. August 1942 geht hervor, dass es sich um den ehemaligen Oberlehrer Franz Aichholzer aus Unteraichwald, den Tierarzt Dr. Lukas Sientschnig aus Eberndorf und den Arzt dr. Raimund Erlach aus Unteraichwald handelte. (AIZDG, ungeord. Mat., vorl. Bd. 723/IV.)
7
Der SS-Ansiedlungsstab »Altreich« in Berlin machte am 15. Mai 1942 folgenden Aktenvermerk: »Rechtsanwalt Wirsich hält einen Vorstoss beim Reichsfinanzministerium, dessen Zustimmung dazu zu erwirken, dass das Vermögen der Evakuierten zu Gunsten des Reichskommissars beschlagnahmt werde, für völlig aussichtslos. Das Beschlagnahmeverfahren sei gesetzlich festgelegt. Eine Abänderung des Gesetzes werde auch der Gauleiter nicht erwirken können, zumal seine Mitwirkung bei der Verfügung über das beschlagnahmte Vermögen bereits gesetzlich festgesetzt sei. Das Reichsfinanzministerium sei gehalten, das beschlagnahmte Vermögen den betroffenen Gauen zur Verfügung zu stellen, die dann im Einvernehmen mit dem zuständigen Oberfinanzpräsidenten über seine Verwertung zu verfügen hätten.« (BA Koblenz, StHA des RKFDV, R 49/908.)
8
Siehe Dok. Nr. 116.
9
Deutsche Umsiedlungs-Treuhandgesellschaft.
10
Paraphe von Dr. Hans Petri.

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